Interview mit Dr. Laura Kreiling, Policy Analyst im Bereich Wissenschaft, Technologie und Innovation bei der OECD und seit 2017 ehrenamtliches Mitglied des ASTP Survey and Metrics Committee
Was ist die Aufgabe des ASTP Survey and Metrics Committee? Und wofür bist du verantwortlich?
Das ASTP Survey and Metrics Committee betreut den jährlichen ASTP Survey. Dies beginnt bei der Konzeption, dem Online-Stellen und der Bekanntmachung – dabei nehmen wir mit den verschiedenen nationalen Transfer-Organisationen Kontakt auf, um sie über den offenen Survey zu informieren. Das ist viel Koordinationsaufwand, vor allem wie die Daten für den Survey zu uns kommen. Bisher haben Deutschland oder beispielsweise die skandinavischen Länder bevorzugt, dass die WTT-Stellen direkt an dem ASTP Survey teilnehmen. Dann gibt es Länder wie Großbritannien oder Frankreich, die eine Kooperationsvereinbarung mit ASTP haben und uns die Daten ihres nationalen Surveys zur Verfügung stellen. Bei diesen Ländern müssen wir einen Kompatibilitätscheck durchführen. Wenn uns zum Beispiel ein Land nationale Datensätze zu 30 Fragen zur Verfügung stellt, dann können wir nach dem Check vielleicht 17 Datensätze wirklich verwenden, da nur diese mit unseren Fragen im ASTP Survey übereinstimmen. Die Harmonisierung der Metriken ist somit auf europäischer Ebene ein wichtiges Thema im Moment (2020 JRC expert report). Danach geht es an die Analyse und das Erstellen des Reports (alle ASTP Survey Reports hier).
Wir sind im Survey Committee ein agiles gemischtes Team aus ganz Europa. Als ich 2017 dazu kam, habe ich zunächst am Screening der Daten gearbeitet um eine Excel-Datenbank zu bauen, die seitdem für die Analyse der Daten verwendet wird. Mittlerweile habe ich bei allen oben beschriebenen Etappen mitgearbeitet.
Als Wissenschaftlerin habe ich während meiner Promotion neue Impulse und Ideen zu Analysemethoden eingebracht, um die vielfältigere Nutzung der Metriken besser auszuschöpfen. Im letzten Jahr habe ich zu Beginn der Covid-19 Pandemie einen Ad-hoc Fragebogen entworfen und mit zwei Kollegen haben wir im Laufe des Sommers über 250 Antworten von WTT Professionals zusammengetragen (Übersichtsgrafik hier).
Dieser Datensatz ist in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich, da wir nicht von WTT-Organisationen, sondern von Individuen Daten erfasst haben. Der Survey ist damit vornehmlich qualitativer Natur und hat uns sehr vielfältige Einblicke in die Herausforderungen und auch Chancen für den WTT aus über 30 Ländern gegeben. Im Laufe des Sommers 2021 publizieren wir hier die Ergebnisse. Zudem habe ich in diesem Zeitraum letztes Jahr vorübergehend die Leitung des ASTP Survey Committees übernommen. In dieser Zeit, im Sommer und Herbst, hatte ich die Aufgabe, den neuen Survey auf den Weg zu bringen und den 2020 Report fertig zu stellen.
Wie groß ist der Datensatz für den jährlichen Survey?
Im aktuellen Report haben wir 512 Datensätze auf Organisationsebene analysiert. 2017 waren es 419 Datensätze, das ist also in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Wenn man sich es genauer anschaut, bleibt die Teilnehmerzahl des ASTP Surveys recht stabil und somit kommt der Anstieg durch neu hinzugekommene nationale Datensätze. Zum Beispiel von Frankreich sind es im Schnitt etwa 60 Datensätze seit 2018. Auch Spanien, Italien, Großbritannien und Irland machen die Erfassung sehr professionell mit einem zentralen Survey in ihrem Land. Die meisten Datensätze aus Deutschland waren bisher 21. Verglichen mit dem, was es an WTT-Institutionen gibt, ist Deutschland bislang leider nicht sehr stark auf internationaler Ebene vertreten.
Gibt es Ideen, mehr Institutionen in Deutschland zu motivieren, an dem Survey teilzunehmen?
Ja, ich stehe im regen Austausch mit Jörn Krupa und dem Arbeitskreis Indikatorik der TA. Ein bekanntes Problem ist die fehlende Visibilität für die Aktivitäten der WTT-Stellen auf nationaler Ebene. Daran wollen wir gemeinsam arbeiten. Der nationale Survey der TA, der in 2020 zum ersten Mal gelauncht wurde, war ein erster sehr wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Die fehlende Transparenz der WTT-Aktivitäten stellt nicht nur die TA vor Herausforderungen, um beispielsweise Trainings und Programme anzubieten, sondern es macht auch die Förderung von Wissenstransfer in Deutschland schwierig. Das BMBF und das BMWi können neue Förderprogramme nur erarbeiten, wenn sie dafür eine Grundlage an verlässlichen Daten haben. Mit anderen Worten, da fehlt aktuell teilweise ein Link zwischen den überwiegend öffentlich geförderten Transferstellen und der Politik. Diese fehlende Sichtbarkeit auf nationaler und internationaler Ebene kann durch eine stärkere Teilnahme von deutschen WTT-Stellen am TA Survey und die Zustimmung zur Weitergabe an den ASTP-Survey geschlossen werden.
Inwieweit kann Indikatorik den Wissens- und Technologietransfer voranbringen?
Ich sehe vielfältige Möglichkeiten in diesem Bereich, welche die bedarfsgerechte Förderung, das Austauschen von Best-Practices, also Voneinander-lernen, als auch das Erstellen von Angeboten und Unterstützung betrifft.
Förderung: In Deutschland könnte sehr viel mehr gefördert werden, wenn die Politik wüsste, wo es hängt und wo mehr Hilfe notwendig ist. Die Transferstellen sollten es auch mal von der Seite der Politik sehen, dass durch mehr Transparenz bei den Transferkennzahlen gewisse Hebel in Bewegung gesetzt werden können. Was nicht abgebildet wird, kann auch nicht gesehen werden.
Voneinander lernen: Ich glaube daran, wenn man eine Indikatorik hat, die so vollständig wie möglich sowie über die Jahre konsistent ist, dass das ein Riesenpotenzial sein kann, um Zeitreihen-Analysen und Ähnlichkeits-Gruppierungen vorzunehmen. Und das ist meine Vision: ein jährliches internationales Treffen von WTT-Experten, wie beispielsweise die ASTP-Konferenz, bei der sich die verschiedenen Peer-Organisationen aus ganz Europa treffen könnten, die anhand der Indikatorik die gleichen Parameter aufweisen und daher auf Augenhöhe miteinander in den Austausch treten. Diese Kommunikation auf Augenhöhe ist total wichtig und das geht nur über vergleichbare institutionelle Parameter. Es ist ja nicht sinnvoll, Transferstellen an Kunsthochschulen mit technischen Einrichtungen zu vergleichen. Jedoch passiert dies nicht selten, wenn allein nationale Datensätze analysiert werden. Hier sehe ich großes Potential eines länderübergreifenden Datensatzes, wie der des ASTP Surveys. Eine dementsprechende Methodik habe ich gemeinsam mit WTT- Direktoren aus Irland und den Niederlanden erarbeitet: Kreiling, L., Scanlan, J. (2020) “A European clustering study with Knowledge Transfer Office DNA”, International Journal of Intellectual Property Management
Angebote und Unterstützung: Indikatorik, die grundsätzliche Informationen über WTT-Stellen und deren Aktivitäten gibt, würde zudem die Möglichkeit eröffnen, WTT-Organisationen ganz anders zu fördern. Man könnte viel bessere thematische und inhaltliche Förderung umsetzen, wenn man wüsste, wie man seine Zielgruppen anspricht. Bisher werden häufig in Ausschreibungen alle WTT-Stellen mit einem Programm bedacht. Das ist wenig bedarfsgerecht und somit sehe ich hier einen Anreiz an dem Survey der TA bzw. von ASTP teilzunehmen.
Welche Indikatoren werden bisher zu wenig beachtet?
Ich finde, dass noch zu viel auf die quantitativen Zahlen geschaut wird und dass der Mehrwert den WTT schafft, welcher in den soften qualitativen Faktoren zum Ausdruck kommt, zu wenig abgebildet wird. Die Debatte um Outcomes und Impact zeigt es gerade in Europa. Wir alle müssen stärker daran arbeiten, wie der indirekte Mehrwert von WTT, der nicht quantitativ abbildbar ist, trotzdem mit in Betracht gezogen werden kann und einfließt in ein ganzheitliches Bild. Die Situation der WTT-Metrik heute stelle ich mir wie einen Eisberg vor: Da ist oben das, was man sieht, das sind die quantitativen Parameter, wie Patente und Lizenzen. Aber unten, das, was man nicht sieht, das sind die Netzwerke und langfristigen Partnerschaften, die auf Vertrauen basieren und die sich aber vielleicht erst in fünf Jahren in einem neuen Projekt ausdrücken und daher einen Wert darstellen, der aktuell nicht erfasst wird.
Ich danke dir für das Interview.
Interviewerin: Melanie Giebel