Wie sinnvoll ist Patentschutz für Startups?
MS: Patente schützen Technologien, die hinter Geschäftsmodellen stehen, insbesondere gegenüber der Großindustrie und Konkurrenten, die in der Lage sind, schnell aufzuschließen und das Start-up bereits in einer frühen Phase zu überholen.
FF: Patente spielen auch immer eine wichtige Rolle, wenn Investoren beteiligt sind. Wie ein Unternehmen in Bezug auf sein geistiges Eigentum aufgestellt ist, wirkt sich nämlich stark auf dessen Wert aus. Eine angemessene IP-Strategie sowie Patentschutz sind in Investitionsrunden und insbesondere beim Exit daher oft entscheidend. Einige VCs sehen Patente als Absicherung ihrer Investitionen und als einen „Fit-to-practice“-Nachweis. Zudem kann geistiges Eigentum bei Bedarf auch monetarisiert werden.
In welchen Branchen ist Patentschutz bereits in der Gründungsphase besonders wichtig und warum?
FF: Bei technologieorientierten Startups sollte der Patentschutz Teil der Unternehmensstrategie sein – nicht nur, wenn das Startup ein physisches Produkt verkauft, sondern auch, wenn der Businessplan beispielsweise lizenzbasierte SaaS oder andere Dienstleistungen vorsieht.
MS: In den Bereichen Life Sciences und Pharmazie ist Patentschutz absolut unerlässlich. Markteintritte sind hier erst nach mehrjährigen Studien und Zulassungsverfahren möglich. Daher ist es besonders wichtig, so lange wie möglich eine Monopolstellung aufrechtzuerhalten.
Was ist patentierbar, was nicht?
FF: Ein breites Spektrum an Innovationen, von Lebensmitteln über elektronische Geräte und Herstellungsverfahren bis hin zu Pflanzen – zumindest bis zu einem gewissen Grad – sind patentierbar. Sogar Softwareanwendungen können entgegen häufiger Irrtümer patentiert werden. Die Hürden für Patentschutz sind gar nicht so hoch wie oftmals angenommen wird.
MS: Die wesentlichen Aspekte eines Patentprüfungsverfahrens sind in der Regel Neuheit und erfinderische Tätigkeit. Dabei muss es sich nicht immer um Rocket Science handeln. Selbst wenn man bekannte Technologien für eine neue Anwendung verändert und anpasst, entsteht ein neues und patentierbares geistiges Eigentum.
Welche Wettbewerbsvorteile können Startups von einer erfolgreichen Patentanmeldung erwarten?
FF: Wer Patente hat, minimiert das Risiko, dass die eigene Handlungsfähigkeit eingeschränkt wird und kann sein IP-Portfolio im Falle von Verhandlungen als Hebel ansetzen.
MS: Startups sollten versuchen, nicht nur ihre eigene Technologie abzudecken. Ihr IP-Portfolio sollte auch bestimmte Aspekte der Wettbewerbertechnologien berücksichtigen. So verringert sich zum einen das Risiko, dass Patentverletzungsvorwürfe gegen das eigene Unternehmen erhoben werden. Zum anderen ist man eher in der Lage, eine Gegenklage wegen Patentverletzung zu erheben und eine sogenannte Kreuzlizenzierung zu erreichen.
Welche Risiken ergeben sich aus den geistigen Eigentumsrechten Dritter?
MS: Das größte Risiko besteht darin, dass solche Rechte „Showstopper“ für das Startup in einer frühen Phase darstellen. Schon ein einziges entgegenstehendes Schutzrecht kann das Ende des gesamten Businessplans bedeuten. Dabei muss es sich nicht mal um einen drohenden Patentrechtsstreit handeln. Daher ist eine gründliche Freedom-to-Operate-Analyse erforderlich, bei der geprüft wird, ob es Schutzrechte Dritter gibt, die der eigenen Technologie entgegenstehen.
FF: Auch in einer späteren Phase kann die Verpflichtung zur Zahlung von Lizenzgebühren die Gewinnspanne des Produkts schmälern und im schlimmsten Fall das gesamte Geschäftsmodell ineffizient machen.
Wie können Universitäts-Spin-offs Zugang zu Patenten erhalten, die der Universität gehören?
FF: Aus Sicht der Investoren ist es oftmals der Idealfall, wenn das Startup die Patente kauft oder einfach ein kostenloses Nutzungsrecht bekommt. Da dies aber oft nicht möglich ist, schließt das Startup einen Lizenzvertrag mit der Universität, in dem in der Regel eine Gebühr und vielleicht auch ein Recht auf den künftigen Erwerb des geistigen Eigentums festgelegt wird. Dieser sollte weitgehende Exklusivrechte einräumen.
MS: Wir stellen in der Praxis fest, dass es bei den Parteien zu unterschiedlichen Vorstellungen über die Lizenzgebühr kommt. Hier sollten beide Parteien mit Fingerspitzengefühl arbeiten, da eine Benachteiligung der einen oder anderen Seite keine gute Grundlage für eine längerfristige Zusammenarbeit ist. Lizenzverträge sollten fair sein. Im Worst Case führen zu nachteilige Konditionen auf Seiten des Startups zu einem Scheitern von späteren Investmentrunden, was zur Insolvenz des Startups führen kann. Das ist ein realistisches Szenario, das wir in der Praxis auch schon erlebt haben.
Welches Budget sollte für den Patentschutz bereitgestellt werden?
FF: Am Wichtigsten ist es, überhaupt ein Budget zu haben! Wir sehen viele Startups, die kein Budget für geistiges Eigentum festlegen, was sie spätestens dann in Schwierigkeiten bringt, wenn sie Patente anmelden möchten oder ein Investor dies von ihnen verlangt. Eine Faustregel besagt, dass ein Startup 10 bis 15 % seines F&E‑Budgets für den Bereich des geistigen Eigentums aufwenden sollte. Dies hängt natürlich stark von der Branche, dem Produkt und dem Geschäftsmodell ab.
MS: In der Regel sollte das Budget nicht nur Patente abdecken, sondern auch andere Fragen des geistigen Eigentums sowie einen Teil für allgemeine IP-Beratung.
Über die Autoren:
Als Patentanwalt befasst sich Fabian Fegers vor allem mit der Anmeldung, Verfolgung und Durchsetzung von deutschen und europäischen Patenten. Zu seinen Mandanten zählen insbesondere deutsche und US-amerikanische mittelständische Unternehmen sowie internationale Konzerne. Ein besonderer Fokus von Fabian Fegers liegt auf der Beratung von Startups und Venture Capital-Unternehmen, die er einerseits im Due Diligence-Prozess und andererseits beim Aufbau und Management eines IP Portfolios unterstützt. Fabian Fegers hält regelmäßig Vorträge und Workshops für Start-ups und Venture Capital Fonds.
Als Eisenführ Speisers führender Patentanwalt auf dem Gebiet Life Sciences berät Manuel Söldenwagner internationale Konzerne, Universitäten und akademische Forschungseinrichtungen sowie diverse Venture Capital Fonds und Startups. Er unterstützt Mandanten nicht nur beim Aufbau und Management von nationalen und internationalen IP-Portfolios, sondern auch bei der Planung und Durchführung komplexer FTO-Analysen. Manuel Söldenwagner hält regelmäßig Vorträge und Workshops für Startups und Venture Capital Fonds (u.a. High-Tech Gründerfonds).
Eisenführ Speiser gehört seit über 50 Jahren zu den renommiertesten Patentanwaltskanzleien Deutschlands. An den Standorten Bremen, München, Berlin und Hamburg unterstützen über 280 Mitarbeiter, darunter mehr als 50 Patent- und Rechtsanwälte, die Mandanten bei der Anmeldung von Patenten, Gebrauchsmustern, Marken und Geschmacksmustern, der Verteidigung und Durchsetzung dieser Rechte sowie bei allen anderen Fragen des gewerblichen Rechtsschutzes wie Portfolio- und Freedom-to-Operate-Analysen, Lizenzierung und IP Due Diligence.
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